Wie sieht der Webhosting-Markt 2025 aus?
Wir fragten zwei Spezialisten und Geschäftsführer aus der Branche nach den Entwicklungen im Hosting-Markt in den letzten Jahren sowie die prognostizierten Entwicklungen in den kommenden Jahren.
Dazu standen uns Michael Schinzel(MS), Geschäftsführer von IP-Projects GmbH & Co. KG sowie Oliver Werner (OW), Geschäftsführer der netcup GmbH zum Interview bereit.
Guten Tag, könntest du kurz euer Unternehmen vorstellen
OW: netcup ist ein Internet Service Provider aus Karlsruhe. Felix Preuß gründete das Einzelunternehmen, das 2008 in der netcup GmbH aufging. Seit 2016 ist netcup, unter Geschäftsführung von Felix Preuß, Alexander Windbichler und mir, Teil der Anexia-Gruppe. Wir bieten qualitativ hochwertige Dienstleistungen rund um die Bereitstellung und Betreuung von Webhosting-Accounts, Domains und Servern an. Wir betreuen Privatpersonen sowie namhafte Unternehmen. Unsere Kundinnen und Kunden schätzen das breite Produktspektrum mit hohen Qualitätsstandards zu fairen Preisen.
MS: Am 24.05.2007 gründete ich das IP-Projects Einzelunternehmen mit ca. 1.500 € Startkapital und 0 € Umsatz pro Monat. Ich hatte mich damals gefragt, wie das die „Großen“ machen, die mit 2,50 € Produkten Millionenumsätze erzielen - wo ich in der Anfangszeit doch nur eine Hand voll Kunden erreicht habe. Bereits damals hatte ich schon einen sehr hohen Eigenanspruch an Qualität und Zuverlässigkeit, was unsere Kunden bis heute sehr zu schätzen wissen. Persönlicher Kontakt zu einem verlässlichen Partner hat mir, dank sehr vielen Weiterempfehlungen, 2011 dazu verholfen, den nächsten Schritt zu gehen und, gemeinsam mit einen langjährigen Geschäftspartner, zu der IP-Projects GmbH & Co. KG umzufirmieren. Seitdem wächst unser Unternehmen stetig. Ich denke dies hat im Wesentlichen damit zu tun, dass wir bis Heute uns selbst treu geblieben sind. Ein gesundes Wachstum bei dem die Qualität und die Zuverlässigkeit im Vordergrund steht ist hier das A und O, daher haben wir bis Heute weder eine Marketing- noch Vertriebsabteilung aufgebaut. Zudem sind wir 100 % Inhabergeführt wodurch wir keinerlei Verkaufsdruck z.B. durch Investoren haben. Dies merken wir vor allem bei unserer Mitarbeiterzufriedenheit.Wir freuen uns über viele weitere Jahre am Markt und über viele weitere spannende Projekte mit unseren Kunden.
Könntest du die Entwicklung deiner Ansicht der letzten 5 Jahre im Hosting-Markt beschreiben?
MS: Insgesamt lässt sich sagen, dass sich der Markt gewandelt hat. Haben wir damals vermehrt Low Budget Server in normalen PC Towern vermietet, professionalisiert sich heute die Branche immer mehr. Selbst für Privatkunden ist eine dauerhafte Verfügbarkeit immer wichtiger geworden und man istauch bereit, für diese zu bezahlen. Ich habe Bilder von damals, als Internet Service Provider im Rechenzentrum einen Cage gemietet und dort Holzregale aufgestellt haben um mit PC Towern an einen 100 Mbit/s Uplink Spieleserver zu vermieten. Das wäre in der heutigen Zeit undenkbar. Mittlerweile vermieten wir mehr hochverfügbare Server mit redundanten Netzteilen im Rack Gehäuse als Low Budget Server.
OW: Der Hosting-Markt verändert sich stetig und schnell. Die großen Clouddienstleister prägen die Art und Weise, wie wir arbeiten und was wir anbieten, denn sie prägen den Markt. Dies bedeutet aber nicht, dass kleinere Anbieter keinen Platz mehr haben. Ganz im Gegenteil sehen wir weiterhin einen Zuwachs an Kunden bei netcup. Der B2C-Markt, der kleine Mann, wenn man so möchte, wird oft vergessen. Mit netcup positionieren wir uns da und sagen ganzbewusst: state-of-the-art Technologie zu fairen Preisen muss auch für Privatpersonen zugänglich sein.
Das Thema Cloud ist natürlich seit Jahren allgegenwärtig. Ich kann aber nicht feststellen, dass dadurch die Nachfrage nach unseren Produkten weniger wird - ganz im Gegenteil. Umso weniger Anbieter von klassischen Hosting Produkten am Markt existieren, umso stärker wird bei uns die Nachfrage – so mein persönlicher Eindruck. Viele Kunden wollen nach wie vor klassische Dedicated Server und entscheiden sich bewusst gegen eine Cloud-Lösung. Es gibt hier, fernab der größeren Anbieter, nicht mehr so viele Anbieter für klassische Hosting Produkte, wie das noch vor 5 Jahren der Fall war.
Wie hat sich die veränderte Nachfrage nach Hosting-Leistungen konkret bei euch ausgewirkt?
MS: Natürlich muss man technisch immer am Zahn der Zeit bleiben und auch bereit sein, alte Technologien/Verfahrensweisen/Softwarelösungen zu überdenken. Wir befinden uns quasi durchgehend im Wandel – neue Softwarelösungen einführen, neues Monitoring um noch mehr Services überwachen zu können, Einführung eines modernen Ticketsystems, ... Über die Jahre hinweg sind natürlich auch immer wieder neue Produkte in unser Portfolio aufgenommen worden die teilweise auch neue Herausforderungen geschaffen haben. Die Professionalisierung unserer Kunden hat uns ebenfalls dazu bewegt, unsere Abhängigkeiten von Dienstleistern zu überdenken. Wir prüfen und raten mittlerweile Dienstleister und arbeiten daran, Abhängigkeiten zu reduzieren. Ein großer Schritt dabei war die Erschließung des Rechenzentrumstandorts FRA1 und der Aufbau eines eigenen AS in Frankfurt am 01.07.2020. Wir haben so völlig neue Möglichkeiten wie z.B. unser Routing- und Carrier Set selbständig zu organisieren ohne, dass wir tagelang mit einem Dienstleister über Preise, Carrierneutralität oder Machbarkeit diskutieren müssen. Wir konnten dank dieses Schrittes in den letzten Wochen zahlreiche neue Kunden in einen für uns völlig neuem Segment gewinnen.
OW: Wir beobachten vor allem, dass die Nachfragen immer internationaler werden. Ein Service Provider wie netcup wird heutzutage nicht mehr nur als deutscher oder europäischer Anbieter wahrgenommen. Uns erreichen Anfragen aus der ganzen Welt. Deshalb bauen wir auch unseren internationalen Sektor sukzessive weiter aus.Warum beobachten wir diese Anfragen aus dem Ausland? Weil sich unsere Services durchaus sehen lassen können im Vergleich. Dass das so ist, ist nicht willkürlich: wir investieren seit Jahren konsequent in den Ausbau und die Verbesserung der eingesetzten Hardware und Software. Wir in der Anexia-Gruppe sehen hier ganz klar die Zukunft und setzen unsere Entwicklungskräfte ein, um die Anforderungen immer besser erfüllen zu können. Dieser Einsatz zahlt sich aus – mit einem steten Zuwachs an treuen Kunden.
Was erwartet ihr für die kommenden 5-10 Jahre. Wie wird sich das klassische Hosting verändern?
OW: Um mit der technischen Weiterentwicklung, die den Markt prägt, mithalten zu können, braucht es entsprechende Manpower in den R&D-Abteilungen der Hosting-Anbieter. Ich denke, gerade dieser Need treibt die Konsolidierungen weiter voran.Aber ja, es wird auch in 10 Jahren noch Anfragen auch aus dem B2C-Sektor nach dedizierten Servern geben. Wir glauben, der Markt lässt Platz für die Privatpersonen, die zwar nicht immer IT-Profis sind, aber trotzdem wissen wollen, wo Ihre IT-Infrastruktur, wo ihre Server stehen.
MS: Ich war kürzlich auf dem SP-Summit in Frankfurt und habe mich mit anderen Teilnehmern auch über dieses Thema ausgetauscht. Viele sind der Meinung, dass es in den nächsten Jahren hier zu einen „Tournaround“ kommen wird, da die meisten Migrationen von Unternehmen in die Cloud abgeschlossen sind und jetzt festgestellt wird, dass dieser Schritt teurerer ist/war als vorher angenommen. Es werden daher jetzt Controller in den Unternehmen anfangen, diesen Schritt zu überdenken und teilweise wieder aus der Cloud raus gehen. Im Kleinen merken wir dies bereits – Kunden, die vor ca. 1 Jahr in die Cloud gewechselt sind, kommen wieder zurück und mieten sich wieder einen Dedicated-Server da festgestellt wurde, dass die Ressourcen einfach deutlich teurer sind als angenommen. Meiner Ansicht nach wird es immer eine Co-Existenz geben. Es gibt Anwendungsfälle, für die eine Cloud sehr gut geeignet ist z.B., wenn man sehr schnell sehr stark skalieren muss, diese Ressourcen aber nur temporär über wenige Stunden oder Tage benötigt. Wenn man aber sehr wenig Ressourcen benötigt und diese sehr konstant sind, ist hier das klassische Hosting nach wie vor der deutlich günstigere Weg. Selbst mit einem einzelnen Server kann man heutzutage bereits eine extrem hohe Verfügbarkeit erreichen. Betrachte ich hier unser konkretes Wachstum im klassischen Hosting, ist dieses nach wie vor konstant steigend. Bedingt durch die Professionalisierung unserer Kunden rücken allerdings Zertifizierungsthemen immer mehr in den Vordergrund - gerade was die Rechenzentrumsseite angeht. Dies wird in Zukunft ein immer größeres Thema werden und wir merken jetzt schon bei unseren Kunden, dass wir teilweise Ausschreibungen gewinnen, da wir mit unseren Standort FRA1 mehr Zertifizierungen aufweisen können als dies bei anderen Standorten der Fall ist. Wir sind ja generell nach KMU ein „kleines Unternehmen“. Wenn ich mir unsere Auftragslage ansehe und die Langfristigkeit unserer Verträge gehe ich davon aus, dass es uns auch in 5 Jahren noch geben wird und wir auch in 5 Jahren noch klassische Server anbieten werden. Am Ende des Tages ist die Basis einer Cloud ja auch nur Technik – Server, Switche, Racks, Datacenter, ... die Dienstleistung kommt ja nicht aus einer Wolke. Wir haben jetzt schon Kunden, die uns als zuverlässigen Partner nutzen für den Betrieb einer eigenen Cloud Plattform. Ich sehe uns daher eher im Bereich Infrastrukturdienstleister der am Ende aufgrund von jahrelangen Know How die technische Basis für den Betrieb solcher Lösungen bietet neben unseren weiterführenden Dienstleistungen.
Wie auch in den letzten Jahren wird der Markt der kleinen Hoster aber definitiv kleiner werden. Dies im Wesentlichen durch Markt Konsolidierungen und technologischen Fortschritt. Um weiter am Markt teilnehmen zu können müssen selbst wir jedes Jahr sehr viel Geld investieren um unseren Kunden neue Technologien bereitstellen zu können. Hier kann ich mir vorstellen, dass viele Hoster resignieren oder den Geschäftsbetrieb einstellen.
Vielen Dank euch für das tolle Interview!
Das Interview führte Marco Keul - Betreiber von hosttest
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Foto: vodicka auf Pixabay
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